Um 15.30 Uhr war es soweit: Die Pforten der Berliner Jerusalemkirche öffneten sich für das Publikum. Der Beginn der Kindermedienkonferenz 2013.
Das Thema Kindermedien sei hochaktuell, hielt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, zu Beginn seiner Eröffnungsrede fest. Die Diskussion müsse daher auch „multiperspektivisch und multimedial“ geführt werden. Die Kindermedienkonferenz richte den Blick auf drei Dinge: „auf die Möglichkeiten, auf das Machbare und auf das Unterstützenswerte“.
Krüger betonte die Bedeutung der Medienkompetenz in allen Alters- und Lebenslagen. Ein bewusster und reflektierter Umgang mit Medien entstehe nicht zwangsläufig bei der Nutzung. Medienkompetenz ließe sich nicht allein durch das Erlernen von Programmen und Anwendungen entwickeln. Es bedürfe vielmehr auch der „eigenständigen Urteilskraft“ und der „Befähigung, die Angebote so nutzen zu können, dass sie das eigene Leben bereichern und zugleich die Bedürfnisse anderer respektieren“.
Was also ist zu tun? „Kinder und Erwachsene müssen wissen, wie sie die neuen Medien, die ihnen zur Verfügung stehen, für ein demokratisches Zusammenleben nutzen können. Es ist an den Erwachsenen, das Feld zu bestellen und zwar so, dass alle Kinder gleichermaßen einen Zugang zu den Medien bekommen.“
Krüger begreift die Konferenz als Forum, in dem die Akteure in einen Dialog treten, um voneinander zu lernen, Ideen zu entwickeln, und „vielleicht sogar Initiativen anzustoßen“.
Anschließend hob Krüger sechs zentrale Punkte hervor, über die auf der Konferenz diskutiert werden sollte:
1. Gute Kindermedien brauchen die Mitwirkung von Kindern
Kinder seien nicht nur wirtschaftskräftige Mediennutzer, sondern auch selbst „Medienexperten“ und als digital natives den Erwachsenen „oftmals um einiges voraus“. Die Erwachsenen müssten den Kindern zwar Werte, Botschaften und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Medien vermitteln – dies schließe die Mitwirkung von Kindern im Produktionsprozess jedoch keineswegs aus.
„Kinder wählen Medienangebote selbst aus und nutzen sie zu großen Teilen selbstbestimmt. Sie dort abzuholen, wo sie sind, ist unsere Aufgabe“, sagt Krüger. „Wir müssen an ihre Lebenswelt andocken, müssen sie kennen, um Anknüpfungspunkte zu finden.“ Um Kinder zur Mediennutzung zu bewegen, müsse man zunächst deren Bedürfnisse kennen. Und diese erfahre man nur durch den direkten Kontakt.
2. Themenfindung: Kinder in ihrem Umfeld begleiten
Aufgabe der Kindermedien sei es, überregionale und globale Inhalte kindgerecht aufzubereiten. Krisen, Katastrophen, Umweltschutz, Bekämpfung der Armut seien unverzichtbare Themen. Genauso wichtig sei es aber, Kinder in ihrer „lokalen Umwelt“ zu begleiten.
Krüger verwies auf die KIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, der zufolge Kinder den sie umgebenden Raum selbst erkunden und selbst erleben wollen. Lokale Medien könnten Kinder dabei begleiten, etwa durch das Konzept der Kinderreporter. Für weitere Anregungen verwies Krüger auf die „Kinder, Kinder!“-Sonderausgabe der drehscheibe.
3. Medienkanäle: Zugänge zu kindgerechten Medien und Vorbereitung für die „großen“ Medien
Medienschaffende müssten sich – über alle Mediengattungen hinweg – vor allem um den Inhalt kümmern, sagte Krüger. Dabei gelte es auch, Vorurteile zu vermeiden. So sei es auffällig, dass Kinder – anders als angenommen – gern lesen würden. Krüger verwies hier erneut auf die Kim-Studie 2012, der zufolge Bücher und Zeitschriften nach dem Fernseher und Computer die Medien seien, auf die Kinder am wenigsten verzichten wollen. Die Kids Verbraucheranalyse 2013 komme zu noch auffallenderen Ergebnissen. Demnach greifen 81 Prozent der 6- bis 13-Jährigen mindestens einmal in der Woche zu einem Buch, 82 Prozent zu einer Zeitschrift.
Zudem hätten Erwachsene die Aufgabe, den Kindern den Zugang zu der enormem Vielfalt des Internets zu ermöglichen und das „Wilde des Internets“ zu bewahren. Dieses „Heranführen“ sei eine wichtige Vorübung für das Verlassen des „geschützten Raums“ der Kindermedien. Kindermedienmacher müssten daher stets das „große Fernsehen“, die „ganze Zeitung“ und das „ganze Internet“ vor Augen behalten und die Kinder darauf vorbereiten.
4. Digitale Mediennutzung und wie wir sie begleiten können
Auf der technischen Ebene würden Kinder die Erwachsenen gar nicht brauchen, sagt Krüger, aber auf allen anderen Ebenen. Die Erwachsene müssten Formen der Anschlusskommunikation, des Neudenkens, üben: „Wie reden wir mit unseren Kindern über das digital Erlebte? Wo und wie klinken wir uns ein? Wenn wir unsere Kinder nicht alleine lassen wollen, müssen wir Konzepte – auch Medienkonzepte – entwickeln.“ Auch die Schulen seien dabei gefordert. Der Umgang mit Medien müsse fester Bestandteil der Schulbildung werden.
5. Mobilität von Kindermedien
„Die Zukunft der Medien ist mobil“, sagte Krüger. Dies betreffe natürlich auch Kindermedienangebote. Durch den Einsatz mobiler Medien ergebe sich eine größere Unabhängigkeit von Raum und Zeit, auch im schulischen Bereich. Krüger verwies hier auf die USA – auf die Nutzung von Chromebooks im Unterricht, auf digitale Schulbücher, das Erledigen von Hausaufgaben auf Google Drive und die Hausaufgabenstellung via Twitter. In Deutschland würden die Werkzeuge zwar bereit stehen, aber noch zu selten genutzt werden. Wichtig sei es, „hinter die Kulissen zu schauen“ – und das am besten dadurch, dass man Kinder Medien „selber machen“ lässt.
6. Jugendmedienschutz
Sichere Surfräume, Filterlösungen und Jugendschutzprogramme seien zwar sinnvoll, würden aber mit zunehmenden Alter keine Wirkung mehr entfalten, sagt Krüger. Notwendig sei ein nach Alter differenzierendes Konzept mit den beiden Strategien „Risikovermeidung“ und „Risikoreduzierung“. Krüger verwies hier auf die Vorschläge der Arbeitsgruppe „Schädigende Inhalte“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In einem solchen Gesamtkonzept des Jugendmedienschutzes würden Kinder vor allem durch technische Lösungen und sichere Surfräume zur Risikovermeidung befähigt werden. Dieser Schutz müsse jedoch um eine „Stärkung von Kindern“, besonders seitens der Medienpädagogik, ergänzt werden. „Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen im Netz machen, auch negative Erfahrungen“.
Schlusswort
Medienkompetenz heiße für ihn, Menschen dazu zu befähigen, als mündige Bürgerinnen und Bürger in der Gesellschaft zu partizipieren und an ihr mitzuwirken, sagte Krüger zum Abschluss seiner Rede. Dazu aber müssten sich Kinder „austoben“ dürfen. Die Erwachsenen hätten die Pflicht und die „Ehre“, sie dabei zu begleiten. Etwa durch das Bereitstellen von „Trainingsräumen“, in denen die Kinder Medienkompetenz erlernen können.
Der erstmals ausgeschriebene Kindermedienpreis zeichne über alle Mediengattungen hinweg „Projekte aus, die vorbildlich für eine hohe Qualität der Vermittlung von komplexen gesellschaftspolitisch relevanten Inhalten stehen“, sagte Krüger. Besonders gefreut habe ihn die hohe Anzahl der Einreichungen.